Die verflixte Zeit

Es ist schon ziemlich lange her, seit ich hier was gepostet habe. Dafür gibt es viele Gründe. Nachdem ich von meiner Reise zurück in die Schweiz gekommen war, wurde ich mit einigen Schicksalen konfrontiert. Einerseits ging es einer meiner Schwester psychisch nicht gut, meine Mutter litt sehr darunter und zudem kamen bei ihr noch zusätzliche Belastungen wie Probleme bei der Arbeit dazu. Aber was hat das alles mit mir zu tun? Die letzten paar Wochen, die ich in Brasilien verbrachte, waren emotional anstrengend. Das lag daran, dass ich das Wiedersehen mit meinem Vater verarbeiten musste. Zusätzlich plagte mich der Schmerz in meiner rechten Schulter, die bis zum Unterarm beim Surfen ausstrahlte. Meine Laune litt darunter und ich war froh, konnte ich zurück nach Hause gehen. Zurück zu meiner Familie und zu denen, die mich aufmuntern können. Das dachte ich. Leider kam es ganz anders. Nachdem ich gesehen habe, wie die Situation zu Hause ist, wurde mir klar, dass ich mit meinen Problemchen nicht noch zusätzlich Belastung bringen möchte. Ich half meiner Mutter, wo es nur ging. Sie lachte und wirkte auf mich Glücklich. Sie war froh, dass ich wieder da war. Doch im Inneren spürte ich, dass es ihr gar nicht gut ging.

Irgendwohin gehen zu können, wo ich „ICH“ sein kann

Bei all dem Stress die ich Zuhause aushalten musste, kam noch die Suche nach Arbeit dazu. Mein Ziel war von Anfang an, etwas temporär zu finden, um schnellstmöglich wieder abzuhauen. Irgendwohin gehen zu können, wo ich „ICH“ sein kann. Eigentlich eine sehr widersprüchliche Tat – in Brasilien wollte ich nach Hause. Jetzt wo ich da bin, will ich wieder weg. So ist es bei mir schon immer gewesen.

Monate vergingen und das gute und schlechte war jeden Tag gut spürbar. Ich kämpfte mich durch und versuchte alles zu kontrollieren, damit alles gut ist und ich immer noch lachen kann. Dabei verdrängte ich meine Probleme fast und versank immer wie mehr in ein tiefes Loch. Wieder. Ich nahm einige Kilos zu und ging sehr oft trainieren. Ich dachte, ich könnte mich so auspowern und der Stress würde so weggehen und würde nicht mehr so viel zunehmen. Dachte ich (wieder).

 

Nachdem meine Schwester in eine Tagesklinik untergebracht war, ging es meiner Mutter viel besser. Ich war ebenfalls erleichtert, dass meine kleine Schwester Hilfe bekommt. Doch der nächste Schlag kam viel zu schnell, sodass sich meine Mutter einige Monate später in eine Klinik einwies. Burnout und Depression hatte über sie regiert und sie brauchte professionelle Hilfe. Um ehrlich zu sein, war dieser Entscheid das Beste für meine Mutter. Es half ihr enorm mit ihrer eigenen Gefühle klar zu kommen. Um endlich abzuschalten. Um Abstand von zu Hause zu haben. Und um wieder auf sich zu schauen. Dadurch lernte sie sich viel besser kennen und konnte endlich auch einiges mit ihren Eltern und Brüdern klären. Der Zusammenhalt ist nun viel stärker und das finde ich toll.

Nun ja, all die Pläne, die ich von Anfang an hatte, gingen in die Hose und es ging mir deswegen nicht gut. In den letzten Monaten sagte ich mir immer wieder, dass es mir eigentlich gut geht, ich wolle mich nicht beschweren. Aber jetzt weiss ich, dass das nicht stimmte. Ich konnte einfach niemanden davon erzählen. Weil niemanden es verstehen würde. Weil niemand solche Situationen erleben möchte. Meine Laune und Körper litten darunter – ich war dementsprechend gereizt, schlief sehr schlecht und hatte oft Heisshungerattacken. Ich bin heute froh, dass auch ich Hilfe angenommen habe und dadurch einige Belastungen weggebracht oder zumindest erträglicher machen konnte.

Ich empfand diese Zeit als sehr wertvoll, da ich  neue positive Energie und Ideen sammeln konnte.

Heute schreibe ich im August 2020, nachdem Corona die ganze Welt verändert hat. „Wie geht’s weiter?“, frage ich mich ständig. Während des Lockdowns hatte ich genügend Zeit, um über alles nachzudenken. Ich empfand diese Zeit als sehr wertvoll, da ich erstens neue positive Energie und Ideen sammeln konnte. Vor allem auch benutzte ich diese Zeit auch, mich persönlich weiterzuentwickeln. Aber auch kam die Sorge, wie es weitergehen wird – kann man überhaupt noch reisen? Kann ich meine Träume noch in diesem Jahr verwirklichen? Normalerweise plante ich Ende August nach Südkorea zu gehen. Das war mein grosses Projekt 2019 bis jetzt. Die koreanische Sprache lerne ich seit über einem Jahr fleissig und alles im Selbststudium, seit ich zurück bin. Doch leider fiel alles ins Wasser und habe dementsprechend auch viel Geld verloren. Ein mühsames Gefühl das mich lange begleiten wird. Aber was soll’s, ein Risiko hat man immer im Leben. Das war vor Corona auch schon so.

Ich bin erleichtert, dass es mir heute trotz Corona viel besser geht und das ich wieder das Licht am Ende des Tunnels sehe. Bin glücklich, dass meine Familie wieder fester zusammen hält. Auch der Kontakt zu meinem Vater ist viel besser. Zwar hören wir uns nicht oft. Aber ich freue mich, von ihm zu hören. Ein Zeichen, dass ich mit der Vergangenheit abgeschlossen habe. Lustig, was das eigene Leben mit dir macht, nicht wahr?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5 Tage Santiago

Nach einer Woche in Pichilemu ging es zurück nach Santiago. Ich blieb dann für 5 Tage im Hostal Providencia. Das Hostel ist ziemlich gut und zentral gelegen, so dass man fast alles zu Fuss erreichen kann. Weil ich aber nicht allzu lange in dieser grossen Stadt meine Zeit verbringen wollte, habe ich im Hostel drei verschiedene Touren gebucht. Ganz günstig waren sie nicht, aber alle drei Touren waren toll und es lohnte sich auf jeden Fall! Die erste Tour war ein „Bike & Wine“-Tour, wo man mit dem Velo durch die Weinberge fahren kann und es wird die Geschichte über Cousiño Macul, einer der ältesten Weinberg Chiles erzählt. Ich war die einzige mit dem Guide, was toll war, weil da konnte das Gespräch über die Trauben und Geschichte des Weins in Chile tiefer darauf eingehen. Wir fuhren mit dem Fahrrad und probierte verschiedene Weine aus.

 

Die zweite Tour war die Besichtigung des Stausees von Santiago, Embalse el Yeso.  Das war aussergewöhnlich, denn es ist gar nicht so weit weg von Santiago. Man ist quasi in den Bergen, weg von der Zivilsation. Die Gruppe bestand hauptsächlich aus Brasilianern, einer Engländerin und mich. Diese Tour hat mir besonders gut gefallen, da wir ganz viele interessante Dinge sehen konnten, wie die Animitas (Unfallkreuze). Auf dem Weg nach Cajón del Maipo gibt es eine bekannte Animita von Willy aka Willito, der sich 1998 aus Liebeskummer das Leben nahm. Noch heute legen viele Chilenen dort Blumen oder Plüschtiere o. ä. nieder, die Animitas gehören in Chile quasi zur Tradition. Man sagt auch, dass sein Geist im verlassenen Tunnel El Tinoco lebt.

 

Die dritte und letzte Tour war dann die Isla de Negra, das Haus von Pablo Neruda. Schon als kleines Kind wusste ich wer dieser Poet war und deshalb war es wichtig für mich, dorthin zu gehen. Es gibt 3 Museen bzw. Häuser von ihm, welches in Santiago, Valparaíso und Isla Negra zu finden ist. Ich habe alle drei besucht und für mich persönlich war die Isla Negra die allerschönste. Ich verstehe jetzt auch, weshalb er diesen Ort so sehr liebte. Nebenbei besuchten wir auch ganz kurz der grösste Pool der Welt, in San Alfonso del Mar. Dieser 1km-Pool konnten wir nur von Aussen besichtigen, da sie zum Resort gehört. Auch sind wir zum Schluss nach Pomaire gefahren, ein kleines Töpferdorf mit ganz vielen Töpferwaren aus braunem Ton. Bekannt sind aber auch die kleinen chonchitas, die Ton-Sparschweine. Es gibt auch die ganz kleinen, man soll sie im Geldbeutel aufbewahren, es soll nämlich Glück bringen. 😉 Dieser Schwein aus Pomaire hat aber nur drei Beine. Es heisst, dass damals ein Schwein aus drei Beinen, einen Schatz gefunden hat und somit wurden seine Besitzer reich 😉

an den anderen Tagen bin ich gemütlich durch die Stadt geschlendert und habe versucht das Leben hier zu geniessen. Ich benutzte auch oft die U-Bahn wie ein braves kleines Kind, hehe. Es war jeden Tag super tolles Wetter, nur der Smog ist hier unglaublich krass. Und es hat einfach zu viele Leute! Trotz allem habe ich eine schöne Woche in Santiago verbracht, besser als vor 6 Jahren 😉 ich hatte auch im Hostel ein eigenes Zimmer mit TV. Somit konnte ich mich mental auf Valparaíso konzentrieren. Denn dort werde ich zwei Wochen verbringen und mein Vater nach 6 Jahren wieder sehen. (In Wahrheit bin ich schon da und habe mein Vater bereits getroffen. Ich bin ein wenig im Verzug mit dem Bloggen, sorry!)